hier mal etwas mehr von fady...
schon etwas ergreifend.
Favorit Fady Maalouf kämpft gegen die Angst
Fady Maalouf zählt zu den Favoriten der RTL-Casting-Show "Deutschland sucht den Superstar". Der Hamburger wuchs im Libanon auf, Krieg und Gewalt haben seine Kindheit geprägt. Die Musik hilft ihm, das Erlebte zu verarbeiten – nur in einem Punkt kann auch sie nichts ausrichten.
Wenn man genau hinschaut, dann sieht man sie: die kleine Narbe unterhalb des rechten Auges. Dort, wo sich die Wangenknochen abzeichnen, schimmert sie wie ein Schatten durch den Abdeckpuder hindurch. Wenn das Licht seitlich auf Fady Maaloufs Gesicht fällt, sieht die Narbe aus wie eine Träne.
Statt im grellen Scheinwerferlicht sitzt der Top-Ten-Finalist der RTL-Casting-Show „Deutschland sucht den Superstar“ in der gedämpften Beleuchtung der „Cave-Bar“ des Alten Wasserturms im Schanzenpark. Bis vor ein paar Wochen jobbte der studierte Modedesigner noch als Barista bei der Kaffeehauskette „Balzac“. Seit einem Jahr lebt er in Hamburg.
„Das ist doch der aus DSDS“, raunt ein junges Mädchen am Nebentisch ihrer Freundin zu, als Fady – in lila Hemd, enger Jeans und mit französischem Akzent – von den vergangenen Wochen erzählt. Und von seinem Leben davor, das ihn und seine Stimme geprägt hat.
Schließlich wuchs der gebürtige Libanese umgeben von Krieg und Angst, von Ungewissheit und Neubeginn auf. Er kam im Haus seiner Eltern im Norden Beiruts zur Welt. Nur wenige Minuten nach der Geburt gingen Granaten auf das Gebäude nieder. „Hier“, sagt der 28-Jährige und streicht mit dem Zeigefinger über die besagte Narbe unter seinem rechten Auge, „die habe ich quasi seit meiner Geburt.“
Zwar wurden Mutter und Sohn nur leicht von Granatsplittern verletzt. Doch dieses traumatische Ereignis hinterließ seine Spuren. Der kleine Fady, Sohn eines deutsch-libanesischen Reisekaufmanns und einer französischstämmigen Inneneinrichterin, war zwar ein fröhliches Kind, „doch so richtig unbeschwert war ich eigentlich nie. Tief in mir drin saß immer diese diffuse Angst.“
Falsches Geburtsdatum sorgt für Wirbel
In den Wirren des Krieges wurde auch das Datum in seiner Geburtsurkunde falsch eingetragen. Dort ist der 20. April 1979 verzeichnet, Fady wurde allerdings 1976 geboren. Ein Behördenfehler, der zu Beginn der DSDS-Staffel für Wirbel gesorgt hatte. Denn mit 31 Jahren wäre er zu alt, um bei der Talent-Show als Kandidat anzutreten. „Man warf mir vor, ich hätte bei meinem Alter geschummelt. Dabei steht in meinem Pass dieses Datum drin, und die deutschen Behörden haben es so übernommen.“
Der Junge wuchs mit dem Gefühl auf, nicht zu wissen, was morgen sein wird. Die Familie hatte Schwierigkeiten, finanziell über die Runden zu kommen. Die Tourismusbranche, in der sein Vater tätig war, lag am Boden, seine Mutter hielt die Familie mit Dozententätigkeiten über Wasser. Die Familie pendelte zwischen einem Dorf im französischen Bordeaux und der eigentlichen Heimat im Norden Beiruts hin und her.
Fady wurde zwischen zwei Welten groß – zwischen Frankreich mit seinem Savoir-vivre und dem arabischen Vielvölkerstaat Libanon, in dem Islam und Moderne einander bekämpfen. Er besuchte einen christlichen Kindergarten. Eine Nonne bescheinigte ihm eine schöne Stimme, er trat dem Kinderchor bei. Doch der schüchterne Junge traute sich nicht, seine Stimme rauszulassen. „Es war, als wäre meine Kehle zugeschnürt: Meine Gefühle konnten nicht aus mir raus“, sagt er.
Dabei gehörte zu Hause bei den Maaloufs Musik zum Alltag. Aus dem Radio dudelten Jazz-Klassiker und französische Chansons, aber auch orientalische Schmachtballaden. Eine kulturübergreifende Weisheit lernte der kleine Junge ganz schnell: Dass Musik die Kraft besitzt, Sorgen für einen Moment lang vergessen zu machen.
Mit 13 wiederholt sich das Säuglingstrauma
Als Fady 13 Jahre alt war, wiederholte sich sein Säuglingstrauma. Er spielte mit anderen Kindern auf der Straße, als aus heiterem Himmel Granaten niederregneten. Der Teenager trug schwere Gesichtsverletzungen davon, die nur provisorisch versorgt werden konnten. Die Wunden entzündeten sich. In einer Serie von Operationen wurden später ein Dutzend Granatsplitter entfernt. Sein Gesicht war monatelang entstellt. „Ich traute mich nicht aus dem Haus und sperrte mich monatelang in meinem Zimmer ein“, erinnert er sich.
Es war die Musik, die ihm Kraft schenkte. „Ich hörte Balladen von Céline Dion, Popsongs von George Michael, Soul-Nummern von Mariah Carey.“ Irgendwann fing er selbst an zu singen. „Die Musik hat mich gerettet!“ Als die Wunden abgeheilt waren, trat er vor der Familie auf, später auch auf Hochzeiten und Geburtstagsfeiern.
Mit 17 sang er zum ersten Mal vor großem Publikum in einer Bar in Beirut. Der süße Dunkelhaarige avancierte schnell zum Lokalstar, seine Fans tauften ihn auf den Spitznamen „Jet-Set-Prince“. Dennoch studierte er Modedesign. Ausgerechnet der libanesische Designer Elie Saab, der nicht nur die Jeunesse dorée Beiruts einkleidet, sondern auch halb Hollywood, war ein Nachbar der Familie. Der junge Mann machte ein Praktikum in dessen Atelier, arbeitete später als Assistent in der Pariser Schneiderei und schaute schließlich noch einer anderen libanesischen Design-Größe über die Schultern: Robert Abi Nader.
Doch Fady ging immer wieder zurück zu seiner Familie im Libanon, wenn auch nur für ein paar Monate. Als der Krieg Israels gegen die Hisbollah im Sommer 2006 im Libanon eine Abwanderungswelle auslöste, die auch die innenpolitische Krise immer weiter verschärfte, stand für Fady Maalouf schnell fest: „Wenn ich was werden will, muss ich nach Europa.“ Der Krieg habe die Menschen im Libanon verändert, sagt er: „Früher zählte das Miteinander, heute versucht jeder, sich selbst durchzuboxen.“
Durch einen Halbbruder in Frankfurt, der aus der ersten Ehe von Fadys Vater mit einer Deutschen stammt, unterhielt die Familie Beziehungen zu Deutschland. Weil die Modebranche nicht am Main lag und Fady Respekt hatte vor der Größe Berlins, verliebte er sich während eines Kurztrips in Hamburg. Er bezog eine Wohnung am Hauptbahnhof. Die neue Stadt ließ ihn die Angst vor der Zukunft daheim vergessen.
"Ich musste mich erst an die Stille gewöhnen"
Deutsch lernte das Sprachtalent in einem dreiwöchigen Intensivkurs und mit Hilfe von Kinderbüchern. „Als ich nach Hamburg kam, musste ich mich erst mal an diese Stille gewöhnen. Plötzlich hatte ich Ruhe, brauchte keine Angst mehr vor Anschlägen oder Unruhen zu haben“, erinnert er sich. Seine Erwartung, schnell eine Stelle als Assistent in einem Mode-Atelier zu bekommen, bestätigte sich hingegen nicht. Schließlich jobbt er bei „Balzac“ – erst als Tellerwäscher in der Küche, später als Barista an der Espressomaschine. Ein Freund berichtete ihm von der Talentshow. „Du hast doch nichts zu verlieren. Geh doch da mal vorsingen“, sagte der. Und Fady ging.
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Seitdem punktet der Libanese mit seinem bescheidenen Charme – und natürlich mit seiner gefühlvollen und facettenreichen Stimme. Ihr verdankt er nicht nur den jetzigen Erfolg. „Der Gesang hat mir dabei geholfen, meine Gefühle rauszulassen. Er ist ein Ventil – ohne ihn hätte ich meine Angst in mich hineingefressen und irgendwann hätte sie mich gefressen.“ Wenn er nächsten Sonnabend wieder antreten wird, schauen seine Eltern im Libanon per Satellitenfernsehen zu. Sein Halbbruder wird wie immer im Publikum sitzen und die Daumen drücken.
Nur die Narbe, die stört ihn immer noch. In ein paar Wochen will er sie weglasern lassen. Seine Freunde meinen, er solle das nicht tun, schließlich sei sie ein Teil von ihm. „Ich sehe das nicht so: Sie sind Spuren des Krieges – und ich möchte nicht, dass der Krieg Spuren hinterlässt.“